„Proteine sind doch diese kleinen Stoffe, die dafür sorgen, dass einem Muskeln wachsen – oder?“
„Je mehr Proteine wir essen, desto mehr Muskulatur bekommen wir.“ „Zusätzlich verlieren wir keine Muskeln, wenn wir eine Diät machen!“
Hört sich doch super an, ist aber leider nicht korrekt.
Kurzinfo:
- Proteine sind ein lebensnotwendiger (essenzieller) Nährstoff.
- Muskelzellen werden über einen dynamischen Auf- und Abbau reguliert, weshalb täglich Proteine über die Nahrung zugeführt werden müssen.
- Sportler und körperlich aktive Menschen haben einen erhöhten Proteinbedarf, im Vergleich zu Personen mit überwiegend sitzenden Tätigkeiten.
- Sportlich aktiven Menschen wird zu 1,4 – 2 g Eiweiß pro kg Körpergewicht pro Tag geraten.
- Für Personen mit Erkrankungen, z.B. Niereninsuffizienz, gelten andere Empfehlungen. Diese sind immer mit einem Arzt zu besprechen.
- Feste Beschränkung, von z.B. 20 – 30 g Eiweiß, die wir in einer Mahlzeit aufnehmen können gibt es nicht.
- Die Aufnahmemenge ist u.a. abhängig von der Intensität des Trainings und der Qualität der zugeführten Proteinquellen.
- Ohne ein adäquates Training ist der Aufbau von Muskelmasse nicht möglich bzw. nur begrenzt möglich.
- Eine ausreichende Eiweißzufuhr unterstützt unsere Regeneration und hilft bei der Erholung von Muskelkater. Regenerationsstrategien und was man dagegen tun kann
Die Rolle von Proteinen in der Diät
Grundsätzlich sind Proteine lebensnotwendige Nährstoffe, die im menschlichen Körper eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen. Dazu gehört unter anderem der Aufbau von Körperstrukturen, wie der Muskulatur oder die Bildung von Enzymen und Hormonen.
Als Energielieferant spielen Proteine nur eine untergeordnete Rolle, wenn ausreichend Kohlenhydrate zugeführt werden. Bei einem geringem Kohlenhydratspiegel kann sich der tägliche Proteinbedarf erhöhen, da mehr Eiweiße als Energieträger herangezogen werden.
Einfach erklärt, reguliert unser Körper seine Muskulatur über den dynamischen Auf- (Muskelproteinsynthese) und Abbau (Muskelproteinabbau) von Eiweißstrukturen. Natürlich wollen wir nicht, dass der Abbau die Überhand gewinnt, weshalb wir täglich Proteine zu uns nehmen sollten. Kommt es infolgedessen, oder durch einen Trainingsreiz zu einer gesteigerten Proteinsynthese, kann Muskulatur aufgebaut werden (Hypertrophie).
Soweit erst mal logisch. Wie verhält sich unser Proteinbedarf, wenn Abnehmen, also Fettmasse verlieren, das Ziel ist?
Wofür zusätzliche Proteine in der Diät?
Wenn wir weniger Energie zu uns führen, als wir benötigen (Kaloriendefizit), greift der Körper vermehrt auf körpereigene Substanzen, wie Depotfette und Eiweißstrukturen, zurück.
Damit in solchen Phasen möglichst wenig Muskulatur oder andere fettfreie Masse verstoffwechselt wird, sollte der Proteinkonsum leicht erhöht werden. Für eine gesteigerte Muskelproteinsynthese trotz Kaloriendefizit empfehlen sich 1,4 – 2g Protein pro Kg Körpergewicht [3]. Eine Steigerung der Muskelmasse wird sich jedoch nicht ohne einen Trainingsreiz erzielen lassen.
Zusätzlich hat sich gezeigt, dass nicht nur mehr Muskulatur erhalten bleibt, sondern wir verlieren zusätzlich mehr Fettmasse, wenn die Eiweißzufuhr im genannten Rahmen erhöht wird [6].
Beispielsweise sollte eine 60kg schwere Person ca. 90-120g Eiweiß pro Tag zuführen. Dies entspricht z.B. 400-500g Hühnerfleisch oder 380-500g rohe Linsen. Die Linsen sollten natürlich gekocht werden.
Je mehr desto besser?
Wie bei den meisten anderen Dingen auch, hilft viel nicht automatisch viel. Ab einer Proteinmenge von >2,2 – 2,4g pro Kg Körpergewicht ist kein weiterer Mehrwert auf die Hypertrophie zu erwarten [8].
Grundsätzlich sind erhöhte Proteinmengen (siehe oben) nicht gesundheitsschädlich, vorausgesetzt es bestehen keine Vorerkrankungen die Einfluss auf die Stoffwechselfunktionen nehmen, wie Nierenschädigungen [3].
Welche Mengen Eiweiß können wir auf einmal zu uns nehmen?
Wie viel des zugeführten Proteins letztlich umgesetzt werden kann, ist von mehreren individuellen Faktoren abhängig. Einerseits spielt unsere gesamte Körpermasse eine wichtige Rolle. Je höher die Körpermasse, desto mehr Eiweiß können wir essen. Zusätzlich nimmt unsere tägliche Gesamtbewegung Einfluss. Vor allem nach dem Sport erhöht sich aufgrund des Nährstoffverbrauchs unsere Aufnahmekapazität.
Eine feste Begrenzung, wie z.B. 20-30g die wir auf einmal umsetzen können, gibt es nicht. Pro Mahlzeit sollte im Optimalfall zwischen 0,4g bis 0,55g Eiweiß pro kg Körpergewicht zugeführt werden [8].
Am Beispiel der 60kg schweren Person ergibt sich dann eine Eiweißmenge von 24-33g pro Mahlzeit.
Wird mehr Eiweiß zugeführt, als der Körper in dem Moment benötigt, wird dieses, wie bei anderen Nährstoffen auch, verstoffwechselt und als Energieträger herangezogen. Im Falle von Proteinen erfolgt dies über die Gluconeogenese, bei der Eiweiße zu Glucose verstoffwechselt werden.
Wann sollte man Proteine zu sich nehmen?
Generell ist die Tagesgesamtmenge ausschlaggebend!
Insgesamt spielt es nur eine untergeordnete Rolle, ob wir unmittelbar nach dem Sport Eiweiße zuführen. Ebenso können wir vor oder einige Zeit nach dem Training essen. Wichtiger ist die Tagesgesamtmenge.
Das Intervall, indem wir vor bzw. nach dem Training Proteine zuführen können, scheint deutlich größer zu sein, als es lange Zeit propagiert wurde. Ein kurzes anaboles Fenster, innerhalb dessen nach dem Sport gegessen werden muss, gibt es nicht [7].
Ratsam ist vor allem die Verteilung der Eiweißzufuhr über den Tag bzw. über alle Mahlzeiten, sodass Proteine Bestandteil der meisten Mahlzeiten sind. Mehrere proteinarme Mahlzeiten pro Tag sind weniger ratsam.
Besonders ein proteinreiches Frühstück fördert den Erhalt von fettfreier Masse trotz Kaloriendefizit und unterstützt die Muskelproteinsynthese, wenn die Tagesgesamtmenge ausreichend ist. In einer Studie nahmen Teilnehmer durch ein proteinreiches Frühstück vermehrt an fettfreier Masse zu, verglichen mit einer Kontrollgruppe, welche proteinarm frühstückte. In beiden Versuchsgruppen waren die Tagesgesamtmengen gleich [10].
Proteinkonsum bei Kalorienüberschuss
Allgemein wird Proteinen ein sättigender Effekt nachgesagt, was auf verschiedene hormonelle Auswirkungen und einen höheren thermischen Effekt der Eiweiße, im Vergleich zu anderen Nährstoffen, zurück zu führen sein könnte [9].
Dabei kann ein erhöhter Proteinkonsum ungewollte Zunahmen durch einen Kalorienüberschuss (Overfeeding) drosseln. Wird die tägliche Proteinmenge erhöht, kommt es nicht direkten zu Fetteinlagerungen, sondern vor allem zu mehr fettfreier Masse.
Trotzdem sollte man nicht ungehemmt Proteine in sich rein schaufeln, denn ab einer gewissen Menge an überschüssigen Kalorien aus Proteinen kommt es auch hierbei zu Fetteinlagerungen und einer Steigerung des Körperfettanteils [2].
Vorsichtig die tägliche Proteinmenge steigern.
Personen mit verminderter Insulinsensitivität (wie Diabetiker) sollten etwas vorsichtiger sein, da bei der Verdauung von Proteinen Insulinreaktionen ausgelöst werden. Zusätzlich wird ein Teil zu Glucose (Zucker) umgewandelt und beeinflusst somit ebenfalls den Blutzuckerspiegel.
Drastische Steigerungen der täglichen Proteinmengen sind zu vermeiden, da große Schwankungen von unserem Verdauungssystem weniger gut toleriert werden. Wer seine tägliche Proteinaufnahme steigern will, sollte dies schrittweise tun.
Positive Effekte einer proteinreichen Ernährungsweise
Zusätzlich zu den bisher genannten Aspekten deutet die Studienlage darauf hin, dass eine proteinreiche Ernährung positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden, sowie die Lebensqualität nehmen kann.
So können z.B. einige Aminosäuren (Bausteine der Proteine) die Schlafqualität verbessern. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Aminosäure Tryptophan. Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Tryptophan sind u.a. Milch, Käse, Hühnerfleisch, Fisch, Eier, Bohnen, Erdnüsse oder auch Kürbiskerne.
Vor allem das Milcheiweiß α-Lactalbumin äußert sich positiv für den menschlichen Schlaf, indem es die subjektive Schlafqualität verbessert und die Durchschlafphasen verlängert werden [4].
Sind Proteinshakes notwendig?
Eiweißshakes können die tägliche Zufuhr unterstützen, sind aber kein Muss. Hierbei ist vor allem die Praktikabilität von Shakes vorteilhaft, sowie das günstige Verhältnis von Energiedichte und Eiweißmenge.
Dennoch, wem es schwerfällt seinen täglichen Eiweißbedarf zu decken, kann unterstützend auf Proteinshakes zurück greifen.
Eine ausreichende Menge Eiweiß lässt sich ebenso über die gewöhnliche Nahrung erreichen, ohne dass wir auf Shakes zurückgreifen müssen. Je nach Ernährungsweise kann hierfür auf Fleisch, Fisch, Milchprodukte oder Hülsenfrüchte zurückgegriffen werden.
Vegane Shakes aus z.B. Sojaprotein haben eine ähnlich gute Wertigkeit wie herkömmliche Shakes aus Molkeprotein. Dabei hat der Verzehr von Sojaprodukten keine negativen Auswirkungen auf unseren Hormonhaushalt [5].
Supplemente, wie Aminosäuren
Einzelne Aminosäuren werden häufig, zusätzlich zu gewöhnlichen Lebensmitteln und Proteinshakes, supplementiert. Wenn auf eine ausreichende Proteinzufuhr geachtet wird, scheinen diese jedoch wenig bis keinen Mehrwert zu bieten. Dies gilt vor allem, wenn nur einzelne Aminosäuren, wie z.B. Leucin, ergänzt werden [1].
Fazit
Grundsätzlich kann eine gesteigerte Proteinzufuhr während einer Diät hilfreich sein, um möglichst viel Muskelmasse zu erhalten oder sogar aufzubauen.
Als Tagesgesamtmenge sind 1,4 – 2g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht empfehlenswert oder 0,4 – 0,55g pro kg Körpergewicht pro Mahlzeit.
Es ist nicht notwendig direkt nach dem Training Proteine zuzuführen, denn ein kurzes anaboles Fenster gibt es nicht. Wichtiger ist die Tagesgesamtmenge an Eiweiß, zusätzlich kann ein proteinreiches Frühstück die Proteinsynthese anregen.
Tryptophanreiche Proteinquellen, können sich positiv auf unsere Schlafqualität auswirken.
Proteinshakes können die Eiweißzufuhr unterstützen, sind jedoch nicht notwendig, um den Tagesbedarf zu decken.
Zusätzliche Supplementationen von Aminosäuren scheinen keinen großen Einfluss auf den Erhalt/Aufbau von Muskelmasse zu haben.
Du hast weitere Fragen zu diesem Thema? Dann schreibe mir gerne eine E-Mail an Kuhlwilm@eveadam.fitness!
Quellen:
- Balage & Dardevet (2010). Long-term effects of leucine supplementation on body composition. Current Opinion in Clinical Nutrition & Metabolic Care, 13(3), 265-270.
- Bray & Bouchard (2020). The biology of human overfeeding: A systematic review. Obesity Reviews.
- Campbell et al. (2007). Journal of the International Society of Sports Nutrition. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 4(8), 8.
- Doherty et al. (2019). Sleep and nutrition interactions: Implications for athletes. Nutrients, 11(4), 822
- Kurzer (2002). Hormonal effects of soy in premenopausal women and men. The Journal of nutrition, 132(3), 570S-573S.
- Longland et al. (2016). Higher compared with lower dietary protein during an energy deficit combined with intense exercise promotes greater lean mass gain and fat mass loss: a randomized trial. The American journal of clinical nutrition, 103(3), 738-746.
- Schoenfeld et al. (2017). Pre-versus post-exercise protein intake has similar effects on muscular adaptations. PeerJ, 5, e2825.
- Schoenfeld & Aragon (2018). How much protein can the body use in a single meal for muscle-building? Implications for daily protein distribution. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 15(1), 1-6.
- Westerterp-Plantenga et al. (2006). Dietary protein, metabolism, and body-weight regulation: dose–response effects. International Journal of Obesity, 30(3), S16-S23.
- Yasuda et al. (2020). Evenly Distributed Protein Intake over 3 Meals Augments Resistance Exercise–Induced Muscle Hypertrophy in Healthy Young Men. The Journal of Nutrition.